Luisa ist hier! Ein Gewaltpräventionsprojekt gegen sexualisierte Gewalt im Nachtleben

Portrait Katharina Hölbing

Katharina Hölbing, Sozial- und Theaterpädagogin, Mediatorin und frauenspezifische Beraterin berichtet über die Präventionskampagne "Sicher feiern", ein Projekt, das direkte niederschwellige Hilfe bei sexualisierten Übergriffen und sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen bietet.

"Luisa" ist eine Maßnahme gegen ein bekanntes Problem in Nachtlokalen und ein Projekt mit dem Frauen präventiv und direkt vor Ort geholfen werden kann. Bei "Luisa" geht es um ein Codewort mit dem sich Frauen bei Belästigung, Bedrohung oder Angst vor Übergriffen in Nachtlokalen ohne weitere Erklärung an das Personal werden können und Hilfe bekommen.

Autorin:  Katharina Hölbing, Sozial- und Theaterpädagogin, Mediatorin, frauenspezifische Beraterin, seit 2011 im Verein Frauen gegen VerGEWALTigung in Innsbruck in der Beratungs- und Präventionsarbeit tätig.

Thema Jänner 2020

In Österreich ist jede dritte Frau von sexualisierter Gewalt betroffen. Trotz dieser hohen Zahlen ist kaum ein Thema gesellschaftlich so tabuisiert wie der Themenbereich der sexualisierten Gewalt.

Und in kaum einem anderen Zusammenhang gibt es so viele Mythen:

  • Frauen waren zu unvorsichtig,
  • Frauen haben sich zu aufreizend gekleidet,
  • Frauen haben provoziert,
  • Frauen haben zu spät "Nein" gesagt,
  • Frauen waren alkoholisiert und deshalb eine "leichte Beute".

Sexualisierte Gewalt geschieht natürlich auch im öffentlichen Raum, geschieht zum größten Teil aber im sozialen Nah Raum. Zwei Drittel der Frauen kennen den Täter, nur zu 20% ist der Tatort der öffentliche Raum.

Junge Frauen bekommen sehr früh schon die Verantwortung übertragen, auf sich aufzupassen, haben klare Anweisungen im Kopf, wie sie sich beim Ausgehen sicher verhalten können.

Bedenklich wird es, wenn all diese Vorsichtsmaßnahmen nicht funktionieren, wenn diese Frauen z.B. unwissend K.O. Tropfen konsumieren und trotz Achtsamkeit zu Opfern werden. Dann kommen die Vorurteile, die Mythen wieder zum Tragen. Dann kommt es zur Täter-Opfer Umkehr und die Frauen selbst fragen sich verzweifelt nach dem eigenen Schuldanteil an dem was passiert ist.

"Luisa ist hier!" ist ein Hilfsangebot für Frauen und Mädchen bei sexualisierten Übergriffen. Das Projekt ist Teil der vom Frauennotruf Münster initiierten Präventionskampagne "Sicher feiern" und bietet direkte niederschwellige Hilfe bei sexualisierten Übergriffen und sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Mit der Frage "Ist Luisa hier?" können sich Gäste*, in erster Linie Frauen, in Bars und Clubs an das Personal der teilnehmenden Lokale wenden. Die Frage fungiert als Code, um bei Belästigung, Bedrohung oder Angst vor Übergriffen ohne weitere Erklärung Hilfe zu erhalten. Die Code-Frage soll dabei nicht die Intention des Fragenden verschleiern, sondern es vereinfachen, um Hilfe zu fragen.

Sobald das Personal informiert ist, wird die betroffene Frau in einen anderen Raum begleitet, um ihr einen Schutzraum und Ruhe zu bieten. Dort kann dann abgeklärt werden: Sind andere Begleitpersonen in der Nähe? Soll der Belästiger angesprochen werden? Soll er eventuell des Lokals verwiesen werden? Soll ein Taxi gerufen werden? Soll die Polizei gerufen werden? Im Mittelpunkt steht vor allem, wie in der akuten Situation geholfen werden kann.

Die Kampagne wurde im Dezember 2016 vom Münsteraner Frauennotruf gestartet und ist mittlerweile in mehreren deutschen Bundesländern verbreitet, sowie in der Region Zürich vertreten. Innsbruck zog als erste österreichische Stadt mit.

Ziemlich zeitgleich entstand in Vorarlberg die Initiative "Ist Lotta da?". Das Konzept ist ähnlich, nur nicht unter dem Dach der "Luisa" Organisation beheimatet.

Für die Umsetzung des Konzeptes in Innsbruck haben der Club "Dachsbau" und die Plattform mobiler Kulturinitiativen (PMK) den Verein "Club Commission" gegründet und sind in Partnerschaft mit der Drogenarbeit Z6, dem Tiroler Frauenhaus und dem Verein Frauen gegen VerGEWALTigung gegangen. Die Kompetenzen aller Beteiligten sollen hier gebündelt werden, um den Informationsaustausch zwischen Lokalbetreibenden und themenrelevanten Institutionen zu ermöglichen.

Im März 2019 fanden die ersten Schulungen für die Geschäftsführer*innen der teilnehmenden Clubs und Lokale statt, die wiederum, nach dem Prinzip "Train the Trainer" ihre Angestellten dazu schulten. Inhalt dieser Schulungen, die pro Termin vier Stunden dauern, sind sowohl

  • Informationen über Gewalt in Kombination mit Substanzmissbrauch (Drogenarbeit z6),
  • rechtliche Grundlagen für Bar/Clubbetreiber*innen (Club Dachsbau),
  • Basisinformation über sexualisierte Gewalt im Nachtleben (Verein Frauen gegen Vergewaltigung und Frauenhaus Tirol) und
  • das Gespräch über Handlungsmöglichkeiten und den Leitfaden, der in der akuten Situation eine Unterstützung für die teilnehmenden Betriebe sein soll.

Finanziert wurde und wird das Projekt von der Stadt Innsbruck. Im Jahr 2020 ist mit Hilfe der Subventionierung des Landes Tirol eine Erweiterung auf Bezirke außerhalb Innsbrucks geplant.

Im Juni 2019 hat auch die Stadt Graz mit einem Gewaltpräventionsprojekt im Nachtleben gestartet. Dort läuft das Projekt nicht unter dem Dach der Münsteraner, sondern verfolgt ein eigenes Konzept, die Zielsetzung ist aber die gleiche: Die höchstmögliche Sicherheit für Frauen und Mädchen im Nachtleben. Schon präventiv, da durch das Ansprechen des Themas "sexualisierte Gewalt" in der Schulung und in der Bekanntmachung des Projektes sensibilisiert und enttabuisiert wird. Und natürlich in der konkreten Situation, wenn Frauen in einer beklemmenden Situation spontan reagieren können, bevor etwas passiert. Und natürlich im Falle eines Übergriffes, indem ihnen ein Schutzraum geboten wird und Information über weiterführende Unterstützung bei relevanten Fachstellen gegeben wird.

Auch ist zu hoffen (und wurde bereits bestätigt,) dass allein die Sichtbarmachung der Umsetzung des Projektes durch die Plakate in den teilnehmenden Betrieben, mögliche Belästiger abgeschreckt und für Frauen unangenehme Situationen dadurch verhindert werden können.

Die Zusammenarbeit zwischen der Sozial-, Kultur- und (Frauen)Beratungs"szene" ist gerade in diesem Bereich für eine sichtbare Sensibilisierungs- und Präventionsarbeit wichtig. Langfristig kann nur gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit und Information zum Thema (sexualisierte) Gewalt zu einer gesellschaftlichen Enttabuisierung führen. Und somit zu einer Verringerung der Anzahl betroffener Menschen.

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