Gewalt in der Partnerschaft/Beziehung (Intimate Partner Violence)
Diskussion über geschlechtsspezifische Gewalterfahrungen
Männer sind tendenziell häufiger Betroffene von Straftaten generell als Frauen. Frauen sind jedoch deutlich häufiger von Sexualstraftaten und Partnerschaftsgewalt betroffen (Birkel et al. 2022). Auch die österreichische Prävalenzstudie (Kapella et al. 2011) konnte zeigen, dass Frauen grundsätzlich eine stärkere Viktimisierung aufweisen und von allen Gewaltformen deutlich stärker betroffen sind, außer bei körperlicher Gewalt, in der Männer eine stärkere Viktimisierung aufweisen, die sie allerdings primär außerhalb der Partnerschaft erleben. Bei dem Grad der Viktimisierung wurden u. a. alle erlebten Gewalthandlungen, die Schwere der erlebten Gewalthandlung, Häufigkeit und Folgen der Gewalt sowie die subjektiv erlebte Bedrohlichkeit der Gewalt berücksichtigt.
Seit dem Jahr 2020 wurden, um Gewalt im privaten Bereich entgegenzuwirken und Gewalt präventiv zu verhindern, diverse Maßnahmen durch das Innenministerium, dem Frauenministerium sowie dem Justizministerium in Österreich gesetzt. Dazu gehören u. A. eine Vernetzung von Polizei und Opferschutzeinrichtungen durch sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen, Fokus auf Gewalt in der Ausbildung der Polizei, die Einführung eines verpflichtenden Beratungsgespräches für Gefährder:innen (2021) sowie die Ausweitung des Betretungs- und Annäherungsverbotes (BMI 2023 - siehe Referenz am Textende) .
Zahlen für Gewalt an Frauen
- Studie der Statistik Austria zu Gewalt gegen Frauen (Enachescu & Hinsch 2022): 14 % der Frauen im Alter von 18 bis 74 Jahren hatten in ihrem bisherigen Leben (Lebenszeitprävalenz) körperliche Gewalt in der Partnerschaft erfahren, 8 % wurde körperliche Gewalt angedroht, 37 % haben psychische Gewalt erfahren und 7 % sexuelle Gewalt in der Partnerschaft. Innerhalb der letzten fünf Jahre waren es 3 % die körperliche Gewalt erfahren haben, 13 % die psychische Gewalt erfahren haben und 1,8 % die sexuelle Gewalt in der Partnerschaft erfahren haben.
- Statistik der 24-Stunden Frauenhelpline gegen Gewalt in Österreich: Im Jahr 2022 gingen insgesamt 8.622 Anrufe ein, im Durchschnitt 24-mal täglich. 1,5 % davon waren Schweigeanrufe. Überwiegend handelt es sich bei den Anrufer:innen um Frauen die von (häuslicher) Gewalt betroffen sind. Rund 10 % der Anrufer:innen sind Männer, dabei handelt es sich oft um Personen aus dem sozialen und familialen Umfeld, die sich Sorgen um die betroffene Frau bzw. Mädchen machen (AÖF 2022).
- FRA – European Union Agency For Fundamental Rights (2024):
- Alle Täter:innen zusammengefasst: Eine von drei Frauen in der EU-27 (30,7 %, in Österreich 35,7 %)) hat im Laufe ihres Lebens körperliche Gewalt oder Drohungen und/oder sexuelle Gewalt erlebt. 17,2 % (in Österreich 23,7 %) haben sexuelle Gewalt (einschließlich Vergewaltigung und andere unerwünschte sexuelle Handlungen erlebt und 13,5 % körperliche Gewalt und/oder mit körperlicher Gewalt bedroht (jedoch nicht sexueller). Von diesen Frauen haben sich 20,5 % aufgrund des Vorfalls an einen Gesundheitsdienst oder eine psycho-soziale Einrichtung gewandt und 13,9 % haben den Vorfall bei der Polizei gemeldet.
- Gewalt in der Partnerschaft: Nahezu jede Fünfte Frau in der EU-27 (17,7 %, in Österreich 17,1 %) hat im Laufe ihres Lebens körperliche Gewalt oder Drohungen und/oder sexuelle Gewalt durch einen Intimpartner in ihrem Leben erfahren (Ex- und aktuelle Partner) und 14,6 % der Frauen haben mehr als einmal Gewalt durch ihren Partner erfahren.
- Eine Sonderauswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) zeigt, dass es in Österreich in den Jahren 2010 bis 2020 312 Morde und 439 Mordversuche an Frauen gab, mit 794 weiblichen Opfern und 767 Tatverdächtigen. 9 von 10 Tatverdächtigen sind männlich. Ein Längsschnittvergleich der Fall- und Opferzahlen ergab, dass ein tendenzieller Anstieg der Fallzahlen bei den weiblichen Opfern in der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums zu beobachten ist. (Haller et al. 2023: 44).
- Eine Analyse, mittels Aktenanalyse, der justizanhängig gewordenen Morde an Frauen und Mädchen von 2016-2020 zeigte, dass es sich bei 100 von 137 Frauen und Mädchen um geschlechtsspezifische und geschlechtsbezogene Gewalt handelt und diese Morde somit als Femizide eingestuft werden können. Femizide wurde nach dem European Institute for Gender Equality (EIGE) als das Ermorden von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts, definiert. Rund 54 % dieser Morde erfolgte durch den aktuellen oder früheren Partner der Frauen. Die Partnerschaftsgewalt ist vor den Femiziden nur selten amtsbekannt und wird auch nur selten mit den Vertrauenspersonen besprochen (Haller et al. 2023: 148).
- Der Viktimisierungssurvey in Deutschland zeigt, dass in den letzten 12 Monaten (bezogen auf das Jahr 2020) 4,1 % der deutschen weiblichen Wohnbevölkerung ab dem 16. Lebensjahr verbale Gewalt online, 6,0 % Sexualdelikte (Einzeldelikte: Zeigen von Geschlechtsteilen, körperliche sexuelle Belästigung und sexueller Missbrauch oder Vergewaltigung) und 1,3 % Körperverletzungen erlebt haben. In Bezug auf Einzeldelikte haben z. B. 3,6 % der Frauen in den letzten 12 Monaten eine körperliche sexuelle Belästigung erfahren, 0,3 % einen sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigung oder 4,5 % persönliche Beleidigungen im Internet erfahren (Birkel et al. 2022).
- Die österreichische Prävalenzstudie (durchgeführt 2010) erhob, dass 40,8 % der Frauen im Alter von 16 bis 60 Jahren in den letzten drei Jahren vor der Studie psychische Gewalterfahrungen gemacht haben, 15,4 % körperliche Gewalterfahrungen, 30,5 % sexuelle Belästigung und 8,5 % sexuelle Gewalt erlebten. Körperliche Gewalt erlebten Frauen am häufigsten durch (Ex-)Partner sowie durch die eigene Mutter und den Vater. Jene Frauen die sexuelle Gewalt in den letzten drei Jahren erlebten, erfuhren diese häufig auch durch (Ex-)Partner und andere Personen aus dem nahen sozialen Umfeld, z. B. Bekannte, Freunde (Kapella et al. 2011).
Zahlen für Gewalt an Männern
- Für Männer zeigt der deutsche Viktimisierungssurvey, dass 4,8 % der deutschen männlichen Wohnbevölkerung in den letzten zwölf Monaten ab dem 16. Lebensjahr verbale Gewalt online erlebt haben, 1,1 % Sexualdelikte (Einzeldelikte: Zeigen von Geschlechtsteilen, körperliche sexuelle Belästigung und sexueller Missbrauch oder Vergewaltigung) und 2,8 % Körperverletzungen erleben. In Bezug auf Einzeldelikte haben z. B. 0,3 % der Männer in den letzten 12 Monaten eine körperliche sexuelle Belästigung erfahren, 0,1 % einen sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigung, 4,8 % persönliche Beleidigungen im Internet erfahren (Birkel et al. 2022).
- In Bezug auf die häusliche Gewalt zeigt eine niederländische Studie (durchgeführt 2009), dass Männer am häufigsten psychische und physische Gewalt erleben, primär durch (Ex-)Partner:innen. Die Mehrheit der männlichen Betroffenen berichtete, dass sie das Gefühl hatten nicht mit der Polizei über die Gewalttat sprechen zu können, und diejenigen, die den Missbrauch anzeigten, berichteten, dass sie nicht ernst genommen oder selbst beschuldigt wurden. Fast die Hälfte, d. h. 46 %, der Opfer wurden im Vorjahr missbraucht und 46 % der Opfer wurden mehr als 10-mal im Jahr missbraucht. Mehr als drei Viertel der Opfer (79 %) wurden länger als ein Jahr missbraucht, die Hälfte dieser Gruppe sogar länger als 5 Jahre. Die häufigsten Formen der körperlichen Gewalt waren Schlagen, Werfen oder Stechen mit einem Gegenstand, Treten, Beißen, an die Kehle fassen sowie Kratzen (Drijber et al. 2013).
- Die österreichische Prävalenzstudie (durchgeführt 2010) erhob, dass 31,8 % der Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren in den letzten drei Jahren vor der Studie psychische Gewalterfahrungen gemacht haben, 15,1 % körperliche Gewalterfahrungen, 6,2 % sexuelle Belästigung und 2,1 % sexuelle Gewalt erlebten. Körperliche Gewalt erlebten in den letzten drei Jahren Männer primär durch männlich bekannte und unbekannte Personen, männliche Freunde bzw. Bekannte sowie die Ex-Partnerin. Sexuelle Gewalt erfuhren Männer in den letzten drei Jahren primär durch Freundinnen bzw. weibliche Bekannte, Nachbarin sowie die derzeitige Partnerin (Kapella et al. 2011).
Weitere Daten
Im Jahr 2022 wurden durch die Polizei 14.643 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen, 2021 waren es 13.690 – rund ein Drittel davon in Wien. Sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen wurden 209 im Jahr 2022 abgehalten, 2021 waren es 57 (BMI 2023).
Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt
Eurostat bezieht sich in seiner Studie zur Gewalt als Rahmenkonzept auf die Istanbuler Convention und nimmt folgende Definitionen vor (siehe auch den Aktuellen Stand zum Thema Gewalt gegen Frauen in der EU, Shreeves & Prpic 2020):
- Gewalt gegen Frauen umfasst auch Mädchen unter 18 Jahren (Artikel 3 a): „Gewalt gegen Frauen als eine Menschrechtsverletzung und eine Form der Diskriminierung der Frau verstanden und bezeichnet alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei Frauen führen oder führen können, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsentziehung, sei es im öffentlichen oder privaten Leben.“
- Häusliche Gewalt (Artikel 3 b): „Alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommt, unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder nicht.“
Referenz
- Innenministerium: Gewaltschutzbilanz 2022 Innenministerium: Gewaltschutzbilanz 2022
- Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbuler Convention) Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbuler Convention)
Weiterführende Informationen
- Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie
- Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt handeln. Leitfaden für Leitung und Praxis in Krankenhäusern zur Versorgung von gewaltbetroffenen PatientInnen (Gruber, Elisabeth; Logar, Rosa, 2015) (PDF) Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt handeln. Leitfaden für Leitung und Praxis in Krankenhäusern zur Versorgung von gewaltbetroffenen PatientInnen (Gruber, Elisabeth; Logar, Rosa, 2015) (PDF)
- Partnerschaften gegen Gewalt. Leitfaden zum Aufbau mulit-institutioneller Bündnisse und Fallkonferenzen zur Verhinderung von schwerer und wiederholter Gewalt, Morden und Mordversuchen im Bereich Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt (Logar, Rosa 2015) (PDF) Partnerschaften gegen Gewalt. Leitfaden zum Aufbau mulit-institutioneller Bündnisse und Fallkonferenzen zur Verhinderung von schwerer und wiederholter Gewalt, Morden und Mordversuchen im Bereich Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt (Logar, Rosa 2015) (PDF)
Hilfe
- Geförderte Familienberatungsstellen in Österreich Geförderte Familienberatungsstellen in Österreich
- Geförderte Frauen- und Mädchenberatungsstellen in Österreich Geförderte Frauen- und Mädchenberatungsstellen in Österreich
- Frauenhelpline (24-Stunden Notruf) Frauenhelpline (24-Stunden Notruf)
- Männerinfo und Männerberatung Männerinfo und Männerberatung
- Hilfe bei Gewalt Hilfe bei Gewalt
- Opfertelefon des Weissen Rings Opfertelefon des Weissen Rings