Männerinfo – die österreichweite Krisenhotline für Männer

Portrait Alexander Haydn

Alexander Haydn informiert über die seit 1. September 2021 im Vollbetrieb laufende Männerinfo-Krisenberatung. Im vorliegenden Beitrag werden die Konzeption und Umsetzung der neuen Hotline herausgearbeitet. Aus einer persönlichen Perspektive werden dabei grundsätzliche Fragen der Männerarbeit insbesondere im Kontext Familie und Umwelt umrissen. Die Geschichte, Organisation und Arbeitsweise der Männerinfo Krisenberatung wird dargelegt und in einem kurzen Ausblick die mögliche weitere Entwicklung der Männerarbeit skizziert.

Autor:  Alexander Haydn, Wirtschaftsausbildung in Wien und USA, Psychotherapeut (Verhaltenstherapie), Kriseninterventionsausbildung, EMDR Trauma Fortbildung. Langjährig vor allem in den Bereichen Gewaltprävention, Gewalt in der Familie, Väterarbeit, Radikalisierung und Extremismus so wie forensische Einzel- und Gruppenarbeit tätig. Bereichsleiter Öffentlichkeitsarbeit & Vernetzung in der Männerberatung Wien; Vorstandsmitglied im Dachverband für Männer-, Burschen-, und Väterarbeit in Österreich (DMÖ). Selbständig für das Institut für Forensische Therapie der Männerberatung tätig. Intramurale Arbeit in Justizanstalten im Normal- und Maßnahmenvollzug mit verurteilten Straftätern, sowohl im Einzel- als auch im Gruppensetting. Gründungsmitglied der "Männerinfo-Krisenberatung" und dort auch verantwortlich für Öffentlichkeitsarbeit. Als freier Trainer, Coach und Berater bietet Alexander Haydn im Rahmen der Männerberatung Workshops und Seminare zu folgenden Themen an: Mann - Männlichkeit, Vater sein, Gewaltprävention, Konfliktlösung und Deeskalation.

Thema Februar 2022

Männerinfo-Krisenberatung

Die Männerinfo-Krisenberatung ist seit 1. September 2021 im Vollbetrieb.

An 7 Tagen die Woche durchgehend 24 Stunden sind die telefonischen Krisenberater der Männerinfo unter 0800 400 777 erreichbar.

Nun ist eine Telefonhotline, wenn auch genderbasiert und auf Männer fokussiert, nicht unbedingt ein Novum. Und doch verdient die Männerinfo-Krisenberatung bis dato das Prädikat "bemerkenswert".

Im vorliegenden Beitrag werden nun die Konzeption und Umsetzung herausgearbeitet. Aus einer persönlichen Perspektive werden dabei grundsätzliche Fragen der Männerarbeit insbesondere im Kontext Familie und Umwelt umrissen. Die Geschichte, Organisation und Arbeitsweise der Männerinfo-Krisenberatung wird dargelegt und in einem kurzen Ausblick die mögliche weitere Entwicklung der Männerarbeit skizziert.

Rückblick

Im Frühjahr 2020 wurden die Auswirkungen der SARS Covid 19 Pandemie in Österreich erstmals für die gesamte Gesellschaft spürbar - Lockdown! Ein bis dahin in Mitteleuropa nur schwer nachvollziehbarer Vorgang: Die gesamte Bevölkerung wurde dazu angehalten das soziale und gesellschaftliche Leben auf ein Minimum zu reduzieren. Grundrechtsfragen, Menschenrechtsbedenken und der Sturm auf Klopapierrollen sind und werden ausführlich an anderer Stelle erörtert.

Aus Ländern in denen pandemiebedingte Maßnahmen und Einschränkungen schon früher begannen gab es erste Meldungen über einen massiven Anstieg von Fällen häuslicher Gewalt, aber auch vor psychische Krisen und Beeinträchtigungen wurde gewarnt. Frauen- und Opferschutzeinrichtungen und Männer- und Täterarbeitseinrichtungen zeigten sich alarmiert, Medien berichteten in ganzseitigen Aufmachern.

Im Lichte dieser Entwicklungen ergab sich in einem langen Telefonat Anfang April 2020 mit Christian Scambor vom VGM Steiermark, die Idee einer österreichweiten, kostenfreien Beratungshotline für Männer. Ende April 2020, einige Telefon- und Videokonferenzen später, war die Männerinfo-Krisenberatung konzipiert und Stand vor der Umsetzung.

Sieben Männerberatungseinrichtungen österreichweit hatten sich bereiterklärt unter der Prämisse eines vernetzten Beratungsansatzes eine telefonische Männer- und Krisenberatung anzubieten. Querfinanziert und mit viel Engagement aller Beteiligter konnte in kürzester Zeit eine professionell betriebene Telefonberatungshotline entwickelt und umgesetzt werden.

Was ist nun aber das Besondere an dem Projekt "Männerinfo-Krisenberatung"?

Konzeption & Umsetzung

Die Männerinfo-Krisenberatung ist eine telefonische Krisenberatungshotline für Männer und deren Angehörigen. An sieben Tagen die Woche, 24 Stunden rund um die Uhr, betreuen erfahrene Männerberater aus ganz Österreich Anrufer und Hilfesuchende in Krisensituationen - vorwiegend Männer aber auch deren Angehörige.

Konzipiert, gestaltet und umgesetzt als rein digitales Projekt - von der telefonischen Ideenfindung bis zur online Pressekonferenz, wöchentlichen online-Teamsitzungen, online 2nd-Level-Support oder online Supervision, gestalten sich alle Projektprozesse und Abläufe vorwiegend im Online- oder Digitalmodus.

Die rund 20 Mitarbeiter des Männerinfo-Krisenberatungsteams teilen sich auf s6 Männerberatungsstellen in ganz Österreich auf. Dies ermöglicht auch und gerade regionales, bundesländerspezifisches Know-how und Vernetzung in die Arbeit einzubringen.

Als Koordinierungs- und Fördernehmerstelle fungiert der "Verein für Männer- und Geschlechterthemen Steiermark"(VMG). Als Folge des konsequenten Lobbyings für Männerarbeit, natürlich auch für vernetzte Täterarbeit bei Gewalt in der Familie, im Rahmen der Arbeit im "Dachverband für Männer-, Burschen- und Väterarbeit in Österreich"(DMÖ) konnte das Sozialministerium für eine stabile Förderung und Ausbau der Männerinfo-Krisenberatung gewonnen werden.

Das Männerinfo-Krisentelefon steht Burschen und Männern (und deren Angehörigen) in allen akuten Konflikt- und Krisensituationen rund um die Uhr zur Verfügung. Als Telefon-Notruf bieten wir "Erste Hilfe", Krisenberatung, Stabilisierung, Information und Vernetzung an. Wir hören zu, unterstützen bei der Bewältigung der aktuellen Situation, vermitteln weiterführende Informationen, insbesondere zu regionalen Beratungsangeboten, Notschlafstellen, Rechtsberatung, etc. und sind Vermittler und Schnittstelle zu den Männerberatungsstellen in ganz Österreich.

Als Beratungsgrundsatz verstehen wir hier das Kontinuum vom Dunkel- zum Hellfeld und sohin die gesamte Bandbreite der Beratungsansätze von vertraulicher Beratung unter dem Verschwiegenheitsparadigma bis hin zum vernetzten, kooperativen Beratungsansatz im Kooperationsparadigma. (vgl. hierzu auch Haydn A. & Scambor C. (2021) Täterarbeit – ein Beitrag zum Opferschutz. Frauen.Wissen.Wien (Nr. 11). Wien: Frauenservice Wien)

Grafik Verschwiegenheits- vs. Kooperationsparadigma
Abbildung 1: "Verschwiegenheits- vs. Kooperationsparadigma", Grafik entnommen aus Haydn & Scambor, (2021)

Im Grundsatz fungiert das Männerinfo-Krisentelefon als Dreh- und Angelscheibe für genderbasierte, männerspezifische Krisen- und Problemlagen.

Grafik Themenblöcke und Weitervermittlung
Abbildung 2 "Themenblöcke und Weitervermittlung!"

Nach nunmehr 3 Monaten Vollbetrieb ergaben sich folgende Themenbereiche, mit denen wir während der telefonischen Krisenberatung befasst waren.

  • Rund 1/3 der Anrufe betrafen das Thema Beziehung und Familie.
  • Knapp 1/4 der Anrufer bezogen sich auf Problemlagen in Bezug auf Psyche und Körper.
  • Etwa 1/5 der Anrufer waren hinsichtlich ihrer (männlichen) Identität, ihrem Rollenbild und im beruflichen Kontext in Problem- oder Krisenlagen betroffen.
  • Das verbleibende 1/5 betraf Informationswünsche, Vernetzung und Diverses.

Anfang Dezember 2021 wurde auch gemeinsam mit dem Sozialministerium die Kampagne "Gewaltprävention: Mann spricht’s an!" gestartet, bei der Männer aufgefordert werden insbesondere bei Gewalt in der Familie hinzusehen und Stellung zu beziehen.

Resümee & Ausblick

Schon jetzt kann das Projekt "Männerinfo-Krisenberatung" als erfolgreiches Beispiel von digital konzipierten und umgesetzten psychosozialen Projekten betrachtet werden. Die jahrelange Vernetzung und gemeinsame Arbeit der verschiedenen beteiligten Einrichtungen ermöglichte eine kosteneffiziente und sehr rasche Umsetzung inklusive österreichweiten Roll-Out.

Für die Männerberatungen an sich ein Erfolg, denn je rascher, unkomplizierter und niederschwelliger Männer in Problem- und Krisenlagen Zugang und Kontakt mit professionellen Beratern erhalten, desto wahrscheinlicher wird ein eskalationsarmer und rational-vernünftiger Konfliktausgang.

Wenn es Männern gelingt ihre Problem- und Krisenlagen zu beschreiben, also zu "verbalisieren" besteht die Möglichkeit hier im professionellen Setting einzuhaken, zu beraten, zu motivieren und schlussendlich auch Veränderung anzustoßen.

Weiterführende Informationen