BAKHTI – EmPOWERment Zentrum für (gewaltbetroffene) Mädchen und junge Frauen

Portrait Maria Rösslhumer

Maria Rösslhumer zeigt, wie es möglich sein kann, Mädchen und junge Frauen gegen (häusliche) Gewalt und Männergewalt zu stärken. Im Februar 2023 wurde vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser gemeinsam mit der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt ein neues Zentrum für Mädchen und junge Frauen in Wien gegründet. Das "BAKHTI – EmPOWERment Zentrum für gewaltbetroffene und mitbetroffene Mädchen und jungen Frauen" soll Mädchen neue Lebensformen aufzeigen, weg von den traditionellen Rollenbildern, hin zum selbstbestimmten Leben.

Autorin:  Mag.a Maria Rösslhumer, Politikwissenschaftlerin, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) sowie Trainerin, Gender- und Gewaltexpertin, Leiterin der Frauenhelpline gegen Gewalt (0800/222 555) und Onlineberatung haltdergewalt.at, 1997-2017 Geschäftsführerin des Vereins WAVE (Women Against Violence Europe), des Europäischen Netzwerks gegen Gewalt an Frauen und Kindern, Vorstandsmitglied des Österreichischen Frauenrings und Mitgründerin des Vereins OBRA (One Billion Rising Austria),  Vorstandsmitglied von MAMANET Austria, Gesamtkoordination von StoP-Margareten und StoP-Österreich stop-partnergewalt.at, seit Februar 2023 Leiterin von BAKHTI-EmPOWERment Zentrum für Mädchen und junge Frauen mit einem externen Empowerment Programm gegen Gewalt für Burschen

Thema September 2023

Jährlich zeigen die Statistiken der Frauenhäuser, Gewaltschutz­zentren, Frauenhelpline gegen Gewalt 0800 222 555, der polizeilichen Betretungsverbote, der Kriminalstatistik, wie hoch das Ausmaß der Gewalt an Frauen und Mädchen ist. Jede dritte Frau ist seit dem 15. Lebensjahr von physischer und oder sexueller Gewalt betroffen, und zwar von Männergewalt.

Wir müssen leider davon ausgehen, dass die Dunkelziffer der Männergewalt an Frauen und Mädchen sehr hoch ist. Viele Frauen und Mädchen wissen jedoch nicht, wohin sie sich bei Gewalterfahrungen wenden können. Spätestens seit der EU-Studie der Grundrechteagentur aus dem Jahr 2014 wissen wir, dass nur jede 5. Frau weiß, wohin sie sich wenden kann, wenn sie von Männergewalt betroffen ist.

Viele Frauen und vor allem Mädchen fehlt das Wissen über die ersten Warnzeichen der Gewalt in Beziehungen und dass Gewalt bereits sehr früh beginnt, nämlich bei sexistischen Blicken, bei verbaler, psychischer Gewalt, bei Bloßstellungen, Beleidigungen, Erniedrigungen, sexistischen Witzen, frauenverachtenden Sprüchen, Verboten, wenn er ein "Nein" nicht akzeptiert und vieles mehr.

Durch das zermürbende "Gaslighting" werden Frauen und Mädchen verrückt gemacht, sodass sie nicht mehr wissen, was richtig und falsch ist bis hin zu körperlichen und sexuellen Übergriffen gemixt mit Manipulationen wie etwa "Love Bombing". Das alles sind Täterstrategien, die es Frauen und Mädchen schwer machen, sich aus einer gewalttätigen Situation oder Beziehung zu lösen.

Begriffserklärungen

  • "Gaslighting": Übersetzt heißt das "Gasbeleuchtung" und steht dafür, eine Person mit psychologischen Taktiken so zu manipulieren, dass sie eine falsche Darstellung der Realität akzeptiert und/oder an ihrer eigenen geistigen Gesundheit zweifelt.
  • "Love Bombing" : Von Liebe überschüttet. Love Bombing wird eine Methode/Strategie bezeichnet, die oft beim Dating angewandt wird, und häufig mit psychischer Manipulation einhergeht und zu emotionalem Missbrauch führen kann. Am Anfang einer Beziehung wird die Partnerin mit Zuneigung und Wertschätzung regelrecht "bombardiert". Das kann aber auch während der Beziehung passieren, nach einem heftigen Gewaltübergriff, versucht der Täter sich wieder zu versöhnen und die Partnerin mit Geschenken und überschießenden Gefühlen "zu überschütten". (Stichwort: Gewaltdynamik, Kreislauf der Gewalt)

Hier ein typisches Beispiel für Gaslighting und Manipulation, ein Verhalten, das viele Frauen und Mädchen gut kennen:

BeispielBeispiel

"Ich dachte irgendwann, ich werde wirklich verrückt" erzählt Mana* (Name geändert),
"ich war fünf Jahre mit Bert zusammen". In dieser Zeit redete er ihr ein, unfähig und psychisch labil zu sein. Indem er Fakten verdrehte, ihre Gefühle herunterspielte, behauptete, auch anderen wäre ihr Verhalten schon aufgefallen. Das passierte so schleichend, dass Mana gar nicht wahrnahm, wie manipulativ Bert agierte.
"Das habe ich nie gesagt, Schatz. Das musst du falsch abgespeichert haben oder Ich mach mir langsam echt Sorgen um dich, waren typische Sätze von ihm", erinnert sie sich.

Frauenverachtung, Sexismus und Gewalt an Frauen hat System in unserer Gesellschaft, es ist Teil des tiefsitzenden patriarchalen Verhaltens. Sie bilden das Fundament für die vielen Femizide in Österreich, europaweit, weltweit. Österreich gilt als Land der Femizide, weil die Zahl der Tötungen an Frauen im Vergleich zu anderen Tötungsdelikte z.B. gegen Männern laufend zunimmt.

Viele Frauen und Mädchen sind sehr mutig, zeigen an, holen sich Hilfe. Vieles wissen wir aber auch nicht. Es kann sein, dass sich eine ermordete Frau und Mädchen vorher bereits anonyme Hilfe oder Beratung geholt hat, sich an Vertrauenspersonen, Nachbar*innen oder an Bekannte, Freund*innen gewandt hat oder auch an eine Behörde, aber nicht ernst genommen wurde oder nicht die adäquate Hilfe bekommen hat.

Manche Frauen haben aus bestimmten Gründen keine Hilfe in Anspruch genommen, die Gründe sind vielseitig: Es kann sein, dass die Angst vor noch schwerer Gewalt, sie davon abgehalten hat, sich Hilfe zu holen. Gefährliche Drohungen, bzw. wiederholende Sätze wie "ich bringe dich um, ich bringe deine Kinder um, oder ich zünde die Wohnung an, oder es wird was Schlimmes passieren, wenn ich nach Hause komme, oder ich erschieße mich, wenn du dich von mir trennst", versetzt Frauen in Panik und Angst. Ein Ausbrechen scheint unmöglich und wie wir wissen endet es nicht selten tödlich für die Frauen und Mädchen.

Trennung und Scheidung gehören zu den Hochrisikosituationen bei Femiziden und Mordversuchen.

Frauen und vor allem junge Frauen scheuen oft davor zurück, sich irgendwo hinzuwenden, weil sie Angst haben, dass ihr Problem öffentlich wird und dass ihnen vielleicht niemand helfen kann, weil ihnen nicht geglaubt wird, weil sie angezweifelt werden, weil eher den Tätern geglaubt wird. Manche Frauen nehmen an, sie können diese Situation selbst "meistern". Aber oft ohne Erfolg, weil sie das unberechenbare, manipulierende Verhalten der gewalttätigen Partner unterschätzen und auch nicht einschätzen können.

Viele kennen vielleicht auch die niederschwelligen Beratungsangebote, wie die telefonische Beratung bei der Frauenhelpline gegen Gewalt 0800/222 555 oder die mehrsprachige Onlineberatungen unter haltdergewalt.at. Hier könnten Frauen frühzeitig vor schwerer Gewalt geschützt werden, vorausgesetzt sie wissen davon. Tatsächlich wenden sich aber auch jährlich zahlreiche Frauen und Mädchen an die Frauenhelpline und holen sich Hilfe und Unterstützung.

Viele Frauen zeigen ihre Misshandler an oder wandten sich auch an Behörden, Polizei, Justiz, Kinder- und Jugendhilfe, Krisenzentren oder andere Einrichtungen, aber sie werden und wurden nicht adäquat unterstützt. Viel zu viele polizeiliche Anzeigen werden eingestellt und nicht weiterverfolgt. Manche diese Frauen und Mädchen werden in Stich gelassen, ähnlich wie bei BAKHTI, nach der wir das EmPOWERment Zentrum genannt haben.

Femizide an Mädchen und jungen Frauen

Unter den Femiziden sind auch mehrere junge Mädchen und Frauen.

Junge Frauen, wie etwa das Mädchen in Steyr in Oberösterreich im Jahr 2018, das von ihrem Freund, mit dem sie eine On-Off-Beziehung hatte und sich immer wieder trennen wollte, ermordet wurde. Sie wusste nicht, wie sie sich gegen ihren Freund wehren soll, wie sie mit seinem gewalttätigen Verhalten umgehen und wie sie die Gefährlichkeit einschätzen sollte. Nicht einmal ihre Mutter und ihre Geschwister waren in der Lage, ihr zu helfen oder sich an jemanden zu wenden.

Das gilt auch für den Mord an einer jungen Frau in Kitzbühel/Tirol 2019, die ebenfalls von ihrem Exfreund ermordet wurde, nachdem sie sich endgültig trennen wollte. Auch wenn sich Familienmitglieder Sorgen machen, auch sie wissen oft nicht, wie sie sich verhalten und wo sie sich hinwenden sollten. Vor allem in ländlichen Gebieten, wo die Anonymität oft nicht gegeben ist, oder es kaum Beratungsstellen gibt, ist es schwer Hilfe zu holen.

Oder das junge Mädchen Leonie, dass von mehreren Burschen in einer Wohnung in der Donaustadt in Wien unter Drogen gesetzt worden ist, schwerst misshandelt, vergewaltigt wurde und an den Folgen der Gewalt gestorben ist.

Und Bakhti, ein afghanisches Mädchen, dass 2017 von ihrem Bruder in Wien am Schulweg ermordet wurde, weil sie sich vom gewalttätigen Vater und Familie befreien wollte. Sie ist sogar mehrmals in ein Krisenzentrum geflüchtet, hat sogar ihren gewalttätigen Vater angezeigt, es gab sogar ein Strafverfahren, aber der Vater wurde freigesprochen, einige Tage später war sie tot.

BAKHTI EmPOWERment Zentrum für Mädchen und junge Frauen

Wir wollen das Mädchen, Bakhti und all die vielen ermordeten Mädchen und Frauen, die Opfer von Femiziden geworden sind, nie vergessen. Wir wollen Mädchen dieses Schicksal ersparen, daher haben wir im Februar 2023 ein neues Zentrum für Mädchen und junge Frauen in Wien gegründet, benannt nach dem 14jährigen Mädchen Bakhti.

Es ist ein EmPOWERment Zentrum für alle Mädchen, aber vor allem für betroffene und mitbetroffene Mädchen, Mädchen in Krisensituationen und besonderen Notlagen, die hier leben oder nach Österreich migriert oder geflüchtet sind.

Das BAKHTI- Zentrum wurde vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser gemeinsam mit der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt im Sozialministerium eingereicht, bewilligt und somit gemeinsam geleitet als "BAKHTI – EmPOWERment Zentrum für gewaltbetroffene und mitbetroffene Mädchen und jungen Frauen im Alter von 14-25 Jahren. Aber grundsätzlich ist es offen für alle Mädchen und Frauen in diesem Alter.

Ziel von BAKHTI ist es auch Mädchen neue Lebensformen aufzuzeigen, weg von den traditionellen Rollenbildern, hin zum selbstbestimmten Leben. Nicht alle Frauen müssen Kinder bekommen oder heiraten z.B. wichtig ist, dass sie unabhängig, selbstbestimmt leben, sich kleiden und bewegen können, und berufstätig sein und werden können.

BAKHTI soll empowern, durch möglichst viele unterschiedliche Angebote. Angefangen von

  • kostenlosen Psychotherapiegesprächen, Coaching- und Beratungsgesprächen,
  • Lernhilfen bis hin zu verschiedenen Empowerment-Workshops bzw. Gewaltpräventionsangebote, wo über Feminismus, Gender, Queer, Frauenrechten, Gleichstellung gesprochen wird sowie
  • sportliche Aktivitäten wie Yoga, bis hin zu Tanz, Theater, Gesundheit, Kunst, Politik, Kultur bis hin zu
  • politischem Aktionismus, oder
  • Führungen durch Museen, durch das Parlament oder sonstige Ausstellungen.
  • In den Sommermonaten werden auch Fahrrad- und Schwimmkurse angeboten.

Das Team von BAKHTI orientiert sich nach feministischen Grundprinzipien und einem ganzheitlichen Ansatz. Dabei sind alle Geschlechter eingeschlossen, bzw. weiblich gelesene Personen, die das Angebot nutzen wollen.

Das Team von BAKHTI verfolgt einen intersektionalen Ansatz und widmet sich in seiner Arbeit vor allem geflüchteten Mädchen und Frauen bzw. Migrantinnen. Mädchen, Kinder und Jugendliche ganz allgemein aus geflüchteten Familien sind häufig von mehrfachen Benachteiligungen und Diskriminierungen betroffen.

Sie sind wie es in der Fachsprache oft heißt besonders "vulnerabel" und von Gewalt vielfältig betroffen, auch von struktureller Gewalt, Vorurteilen gegenüber bestimmten "Communities". Das Phänomen von victim blaming (Opferbeschuldiung) und Opfer-Täter-Umkehr spüren diese Frauen noch stärker als autochthone Menschen.

Die Angebote sind daher auch in verschiedenen Sprachen, wie

  • Arabisch,
  • Dari/Farsi,
  • Deutsch,
  • Englisch,
  • Georgisch,
  • Russisch und
  • Urdu.

Alle Angebote sind kostenlos und können anonym beansprucht werden.

Bakthi wird dankenswerterweis vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Konsumentenschutz und Pflege finanziert.

BAKHTI-Zentrum nach deutschem Vorbild

Seit Jahren schauen wir nach Deutschland, wo es seit Mitte der 1980er Jahren, die sogenannten Mädchenhäuser gibt. Häuser, wo Mädchen und junge Frauen tagsüber unterstützt werden, aber auch aufgenommen und für bestimmte Zeit bleiben werden, wenn sie von akuter Gewalt betroffen sind. Das fehlt in Österreich gänzlich.

BAKHTI ist zwar kein Mädchenhaus, aber es ist zumindest und immerhin ein Mädchenzentrum. Zeitgleich zum BAKHTI-Zentrum wurde in Wien auch ein Mädchenhaus von den Wiener Frauenhäusern gegründet. Somit können wir die Synergien zwischen dem Mädchenzentrum BAKHTI und dem Mädchenhaus nützen.

BAKHTI – stärkt auch Burschen gegen (häusliche) Gewalt

Nicht nur Mädchen, sondern auch Burschen und heranwachsende Männer sind und werden Opfer von häuslicher Gewalt und Partnergewalt. Die Auswirkungen sind gravierend. Burschen leiden genauso wie Mädchen unter dieser patriarchalen Gewalt, sie zeigen aber ihre Betroffenheit weniger, reden kaum darüber und oft werden gerade diese Burschen wieder gewaltausübende Männer und Partner gegen Mädchen und Frauen, gegen ihre PartnerInnen, weil sie sich mit gewaltausübenden Vätern identifizieren oder keine positiven männlichen Vorbilder kennen.

Auch der Schule oder im Freundeskreis in der eigenen Community fehlen oft Männer, die ihnen zeigen und vorleben, wie ein partnerschaftliches und gleichberechtigtes Miteinander mit Frauen und Mädchen gelingen kann. Daher müssen wir möglichst früh und präventiv ansetzen und Männergewalt an Frauen und Mädchen verhindern, daher können wir auch ein kostenloses Gewaltpräventionsprogramm und EmPOWERment-Angebote gegen Gewalt für Burschen im Rahmen vom Bakhti anbieten, zwar nicht im Zentrum selbst, aber außerhalb in anderen Räumlichkeiten (bakhti.burschen.at).

Für Burschen gibt es zweimal wöchentlich stattfindende Workshops mit dem Titel: "Liebe(r) ohne Gewalt" und "Mann sein aber wie?" Es gibt auch für Burschen die Möglichkeit Einzelgespräche mit besonderen Anliegen mit dem Jugendsozialarbeiter zu besprechen.

Der Jugendsozialarbeiter arbeitet sowohl bei BAKHTI als auch bei "StoP-Stadtteile ohne Partnergewalt" in der Gewaltpräventionsarbeit für Jugendliche zur Stärkung gegen häusliche Gewalt. 

Da wir im Rahmen von BAKHTI den Mädchen kostenlose Psychotherapiegespräche anbieten können und diese bereits sehr gut angenommen werden und diese auch finanzieren können, liegt es nahe, dass auch Burschen ein kostenloses Psychotherapieangebot erhalten müssen. Seit April bietet ein kompetenter, feministischer und erfahrener Psychotherapeut Psychotherapiegespräche an.

Schutzengel Spendenaktion für das BAKHTI-Zentrum

Um alle Aktivitäten kostenlos anbieten zu können benötigen wir über die staatliche Förderung hinaus auch noch Spenden. Wir haben eine eigene Spendenaktion für BAKHTI mit den Namen Schutzengel.

Mit 15 Euro Spende monatlich können Menschen Mädchen und Burschen in Gewalt-, Krisen- und Notsituationen helfen. Diese Spende dient zur Stärkung der Jugendlichen in ihrem Selbstwert und Unterstützung auf einen gewaltfreien Lebensweg.

Mit dieser Spende finanzieren wir zum Beispiel die kostenlose, niederschwellige Psychotherapie, Beratungsgespräche, Lernhilfe, Selbstbehauptungskurse, kreative, künstlerische, kulturelle EmPOWERment-Angebote für mehrfachbenachteiligte Jugendliche, die sich auch finanziell nicht viel leisten können.

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