Kulturvermittlung und Gewaltprävention im Kontext von Nachhaltigkeit, Demokratie und kultureller Bildung

Portrait Brigitte Tauchner

Mit künstlerischen und theaterpädagogischen Zugängen wird die Kulturvermittlung im Hacker Haus zu einem lebendigen Prozess und einem spannenden Diskurs für alle.

Autorin: Brigitte Tauchner, Künstlerische Leitung Kulturzentrum Hacker Haus / Museum für Zeitgeschichte, Leitung SOG Theater Zentrum für Theaterpädagogik und strategische Inszenierung, Trainerin in der Erwachsenenbildung und in der Basisbildung, Systemischer Coach

Thema Mai 2024

Das Kulturzentrum Hacker Haus – Museum für Zeitgeschichte erzählt in einer Dauerausstellung über das jüdische Leben in der Region Buckligen Welt / Wechselland in Niederösterreich die Geschichten von Familien, deren Schicksale durch Vertreibung, Flucht und Ermordung durch den Nationalsozialismus von der Region getrennt wurden.

Das Museum vermittelt mit dem Blick auf gestern und richtet sich aber auch in die Zukunft, die Ausstellung über das jüdische Leben ist einer Minderheit gewidmet und daher können Fragen der Ausgrenzung, der Diskriminierung, aber auch der Inklusion verhandelt werden. Das kognitive Erinnern an gestern wird für ein besseres und demokratisches Heute weiter am Leben erhalten. An Hand von geographisch nahen Biografien wird mehr Bezug geschaffen, demokratische Beteiligung wird durch die Stärkung der eigenen Identität zu einer selbstverständlichen Erfahrung, die Anerkennung aber auch Reflexion der eigenen Person und der Vermittlung einer moralischen Orientierung verhindert die Zuwendung zu extremistischen Ideologien.

Lernen durch Kunst und Kultur

Kulturelle Bildungsprojekte stärken den Kompetenzerwerb von Schüler:innen und Jugendlichen von der individuellen Handlungsfähigkeit über soziale Kompetenzen wie Kommunikation und Kooperation, kreative und innovative Gestaltungs- und Medienkompetenzen bis hin zu Reflexion und Kritischem Denken. Das Erkennen von Diskriminierungsstrategien und Rassismen wird unterstützt, persönliche Entfaltung und zwischenmenschliche Fähigkeiten werden gefördert. Jugendliche lernen Kompromissfähigkeit, Selbstreflexion, Toleranz, Verantwortungsübernahme und Empathie.

Aktuelle Projekte

Denkmal Held*in

SOG Theater arbeitet gemeinsam mit Schüler:innen einer NMS zum Thema Biografie/Portrait von Menschen aus der Vergangenheit und der Gegenwart, die eine spezielle Lebensgeschichte transportieren. Der Fokus liegt auf Biografien, die von Mut und Engagement erzählen, von Persönlichkeiten, die sich für etwas einsetzen. Vom Überwinden von Widerständen über Gendergerechtigkeit und Klimagerechtigkeit. SOG Theater arbeitet mit theaterpädagogischen Zugängen und unterschiedlichen künstlerischen Zugängen. Die Schüler:innen suchen und finden Biografien von Menschen, deren Geschichte sie fasziniert. Zivilcourage, mutiges Handeln, spezielle Herausforderungen, Hürden, die man überwinden musste, prägen so manche Lebensgeschichte.

Mit der Auseinandersetzung geht die Analyse einher.

  • Was braucht es, um sich selbst zu ermächtigen?
  • Wo kann man Unterstützung bekommen?
  • Was bedeutet Solidarität?
  • Wie kann ich Chancen nutzen und mein Potential steigern?
  • Wie werden Träume und Visionen sichtbar?

Mit theaterpädagogischen Tools und Methoden des Zeitungstheaters nach Augusto Boal wird die Recherche begleitet und in eine Performance gearbeitet. Die Jugendlichen haben auch die Möglichkeit, im Veranstaltungssaal des Kulturzentrums eine Performance zu gestalten.

Ein Wort für Skulpturen von Teresa Hunyadi

Die Einzelausstellung der international tätigen Bildhauerin Teresa Hunyadi basiert auf der intensiven Auseinandersetzung mit den Materialien Holz und Keramik. Es werden Arbeiten aus den letzten Jahren gezeigt, bei denen sowohl die formale Vielfalt, als auch die handwerkliche Kompetenz auffällt.

Die Ausstellungsstücke eint eine Annäherung: das Unfassbare fassbarer machen zu wollen. Das Unfassbare, wofür es oft schwer fällt, Worte zu finden und welches oft seine Wurzeln in den Tiefen der menschlichen Erfahrung hat. Reflektierend über dieses Menschsein und die Geschehnisse des 2. Weltkrieges ist Teresa Hunyadi mit ihren Formen und Denken eine Stimme ihrer Generation. Für sie stellen sich Fragen wie:

  • Was ist fassbar?
  • Wie lernt man mit dem Herzen?
  • Was braucht man, um handlungsfähig zu bleiben? und
  • Wie kann man Worte für etwas finden, das nicht zu verstehen ist?

Wenn Nachbarn aufhören Nachbarn zu sein, wenn Freunde wegschauen, wenn Angst und der eigene Vorteil als alleinige Entscheidungsträger fungieren. Themen, die nach wie vor allzu aktuell sind. Daher ist es umso wichtiger, sich mit Erinnerung und Erinnerungskultur zu befassen. So ruft die einleitende Arbeit ‚unvergesslich‘ sowohl zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit auf, als auch dazu, sich an neue Horizonte zu wagen und Worte zu finden.

Hunyadis Kunstwerke sollen auch "begreifbar" sein, so werden spezielle Führungen für Personen mit Sehbehinderung oder Demenz angeboten.

Herzsplitter – eine emotionale, theatrale Reise vom Vergessen zum Erinnern

Museumstheaterperformance, SOG Theater

An Stelle von Heimat halte ich die Verwandlungen der Welt – die Nobelpreisträgerin Nellie Sax drückt damit aus, was für so viele jüdische Familien tragische Realität war. Herzsplitter ist eine Hommage an die Menschen, denen die Bucklige Welt Heimat war und die sie unwiederbringlich verloren haben.

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Museumstheater

MuseumsTheater verbindet zwei Dinge, die eigentlich eigenständig sind: Das Museum und das Theater. Es verbindet das Ziel des Museums, durch den Ort einer Sammlung dem Publikum etwas zu vermitteln, es zu unterhalten und zu inspirieren, mit der Kraft, Geschichten zu erzählen, wie nur das Theater es kann. MuseumsTheater vermittelt Kunstwerke, museale Objekte sowie kulturelle und historische Orte mit den Methoden von Theater und Theaterpädagogik. Die künstlerische Animation schafft Emotionalität, Berührbarkeit, Lebendigkeit und braucht Fantasie. MuseumsTheater ermöglicht ein subjekt-, erfahrungs- und situationsorientiertes Lernen. Es entsteht explizit in der Auseinandersetzung mit der Thematik bestimmter Sammlungsbestände oder den Inszenierungsbedürfnissen einer bestimmten Ausstellung/eines bestimmten Ortes. MuseumsTheater ist eine Art der Vermittlung, die sich in vielerlei Hinsicht von anderen Vermittlungsformen unterscheidet und einen eigenen Stellenwert beanspruchen kann.

Kulturzentrum Hacker Haus / Museum für Zeitgeschichte

Das Kulturzentrum Hacker Haus in der Marktgemeinde Bad Erlach in Niederösterreich ist ein besonderes Beispiel für gelebte Zeitgeschichte. Aus einem Forschungsprojekt entstanden, mit viel Engagement und Leidenschaft umgesetzt, gibt das Museum für Zeitgeschichte im Hacker Haus nicht nur beeindruckende Einblicke in Themen der regionalen Geschichte, sondern regt auch zum Nachdenken und Nachfühlen, sowie dem Begreifen von Zusammenhängen an, um Entwicklungen der Gegenwart durch das Erinnern an die Vergangenheit verständlich zu machen. Mit der Dauerausstellung zum jüdischen Leben in der Region Bucklige Welt/Wechselland leistet das Haus einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit und ist auch ein besonderer Ort des Erinnerns im Gedenken an die Opfer der Shoah. In der "Ellipse" – dem vielseitigen Veranstaltungszentrum des Kulturzentrums Hacker Haus samt Innenhof – gibt es ausreichend Raum für Kunst und Kultur, aber auch für Dialog, Kommunikation und gesellschaftspolitische Auseinandersetzung. Es ist ein Ort für Bildende Kunst, Lesungen, Konzerte, biografische und lebensgeschichtliche Projekte, Vorträge, Workshops, Seminare, Diskussionsforen sowie Vermittlungs- und Bildungsprogramme für alle Altersgruppen.

Literaturtipps

  1. Diamond, David: Theater zum Leben. Über die Kunst und die Wissenschaft des Dialogs im Gemeinwesen, Ibidem – Verlag, Stuttgart 2012
  2. Fritz, Birgit: InExActArt – Das autopoietische Theater Augusto Boals Paperback 2011
  3. Neuroth, Simone: Augusto Boals Theater der Unterdrückten in der pädagogischen Praxis, Weinheim 1994
  4. Staffler, Armin: Augusto Boal: Eine Einführung, Oldib 2009
  5. Weintz, Jürgen: Augusto Boal Regenbogen der Wünsche, Methoden aus Theater und Therapie, Kallmeyer, Velber 1999
  6. Wrentschur, Michael: Theaterpädagogische Wege in den öffentlichen Raum, Paperback 2004

Weiterführende Informationen